Jeder 2. LSBTIQ*-Jugendliche ist Opfer von Queerfeindlichkeit in Kölns Schulen
Studie über Queerfeindlichkeit an Kölner Schulen von LSBTIQ*-Jugendeinrichtung anyway vorgestellt | Handlungsbedarf an Schulen ist dringend
Köln, 10.06.2024 – Die Situation für lesbische, schwule, bi, trans, inter* und queere (kurz LSBTIQ*) Schüler:innen in Köln ist schlecht. Mehr als jede:r 2. LSBTIQ*-Schüler:in ist Opfer von Queerfeindlichkeit in einer Kölner Schule geworden (58%). Am häufigsten wurden die Schüler:innen „beschimpft, beleidigt und/oder lächerlich gemacht“ (46%). 27,3 Prozent der Schüler:innen erlebten außerdem Ausgrenzung und Ausschluss aus Freundeskreisen oder der Klassengemeinschaft. Knapp ein Viertel der Jugendlichen (23,7%) wurden gegen den eigenen Willen in der Schule geoutet.
Zudem sind LSBTIQ*-Schüler:innen mit körperlicher Gewalt konfrontiert: 14,3 Prozent wurde Gewalt angedroht und 8,5 Prozent der Schüler:innen wurden tatsächlich angegriffen. Das ist fast jede:r 10. Schüler:in.
Gewalt jeglicher Form darf kein Normalzustand an Schulen sein
Die Ergebnisse sind erschreckend und zeichnen ein Bild von unseren Schulen, dass im krassen Gegensatz zu Kölns Ruf als Stadt der Vielfalt steht“, sagt Jürgen Piger, Vorstand vom anyway e.V. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Kein:e Schüler:in sollte ungern zur Schule gehen oder dort Angst vor einem Coming-out haben müssen. Gewalt – egal ob verbaler, psychischer oder körperlicher Art – darf kein Normalzustand für LSBTIQ*-Jugendliche in Schulen sein.“
Neben den Zahlen, sind es auch die Berichte der Schüler:innen, die aufhorchen lassen. Sie schrieben unter anderem im Fragebogen:
- „Tägliche Beleidigungen als Schwuchtel etc., angespuckt, ausgelacht, ausgegrenzt, geschubst ‚Freunde‘ wandten sich ab, selbst Lehrer schmunzelten…“
- „Ich werde in der Schule dafür fertig gemacht, dass ich trans bin, mir wird gesagt, ich solle doch bitte sterben gehen […]“
- „Wurde auf dem Gang angespuckt, mit Sachen beschmissen. […] Schwuchtel genannt zu werden, war wöchentliche Routine.“
- „Eine Klassenkameradin hat mich geoutet, ich wurde von Mitschülern beleidigt und geschlagen.“
- „Seit dem Outing (Trans) reden meine Mitschüler noch weniger mit mir […] Über mich wird laut gelacht und gesagt […], ich sei ekelhaft. […] Auf den Gängen schreit meistens die Unter-/Mittelstufe ‚Transe‘ oder alles Mögliche.“
- „Das Übliche wie ausgesperrt, Ausgrenzung, Mobbing, Morddrohungen […]“
Schüler:innen wünschen sich mehr Aufklärung
Wie kann die Situation von Schüler:innen verbessert werden? Auch danach fragte die Studie die queeren Schüler:innen. Am häufigsten wünschten sie sich Aufklärungsworkshops in Schulen (60,9%), gefolgt von LSBTIQ*-Ansprechpersonen (53,4%) sowie einem Notfallteam bei Queerfeindlichkeit (47,6%).
Hilfreich könnte der Studie zur Folge auch sein, Lehrkräfte zu besseren Unterstützer:innen von LSBTIQ*-Jugendlichen zu machen. Immerhin gaben die befragten Schüler:innen an, dass 29,8 Prozent der Lehrkräfte nie gezeigt hätten, dass sie „Schwuchtel“, oder „Transe“ oder ähnliches als Schimpfworte nicht dulden. Fast die Hälfte aller Lehrkräfte (43,4%) habe sich zudem manchmal oder häufig abfällig über LSBTIQ* geäußert.
Die Daten sind die Ergebnisse einer Studie der Jugendeinrichtung anyway aus Köln. Sie wurden heute im Schulausschuss der Stadt Köln vorgestellt. Die Studie basiert auf einer anonymen Online-Befragung im April und Mai 2024. Begleitet und ausgewertet wurde die Studie durch Prof.in Dr.in Bärbel Schomers und Dr.in Hanna Heinrich. An der Befragung haben 414 Personen teilgenommen. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ.
Anlass der Studie ist die Beobachtung des anyway-Aufklärungsprojekts „WiR* – Wissen ist Respekt“, dass die Queerfeindlichkeit in den Workshops in den letzten Monaten zugenommen habe. In den Workshops wird zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt sensibilisiert. Immer häufiger bleiben Schüler:innen den Workshops fern oder stören sie bewusst durch verbal-aggressives Verhalten. Diesen Trend beobachtet auch das Aufklärungsprojekt „SCHLAU Köln“.